Es war Dienstagmorgen 8:30. Sybille und Holgi sassen im Georgengarten händchenhaltend auf einer Bank und beobachteten gerade einen Disput zwischen einer dunkelhaarigen Türkin im Trainingsanzug und einer Rentnerin. Die dunkelhharige Türkin beschwerte sich in klarem Hochdeutsch mit leicht badischer Einfärbung darüber, dass die Rentnerin ihren Hund frei laufen lasse und die Töle sie beim Joggen ankläffe.
„Aber der macht doch nichts.“
„Und woher soll ich das wissen.“
Da wurde die Rentnerin ungnädig und griff tief in die Vorurteilskiste: „Und im übrigen, das haben wir gerne, von unsren Steuergeldern leben und hier morgens im Park herumjoggen.“
Da rückte die Dunkelhaarige ihr Haarband zurecht und antwortete mit sandiger Stimme: „Steuergelder? Also ich gehe nachher arbeiten, und Sie?“
Da unterbricht Sybille die Szenerie mit einer von allen Männern gefürchteten Frage:
„Du Holgi, wann heiraten wir denn nun endlich?“
„Wozu denn heiraten, wir lieben uns doch.“
„Na deswegen ja, ich hätte so gerne so ein schickes weißes Hochzeitskleid.“
„Bah, Sybille, das ist doch Traumhochzeit. Weißt du wie die Realität einer Ehe aussieht?
„Nein.“
„Pärchen heiratet, bekommt Babies, Holgi läßt Vaterschaftstest machen. Die Familie bezieht eine Wohnung, die sie renoviert, dabei gibt es die üblichen Probleme.
Dann bauen Sybille und Holgi, die mittlerweile Papa und Mutti heißen ein Haus, wobei der Zeitplan ganz schrecklich in Verzug gerät und Holgi seine erste Herzattacke bekommt. Am Ende geht aber alles gut und Mutti läßt sich die Nase richten und die Brust vergrößern, während Papa sich die Fettschürze absaugen läßt. Die Kinder wollen Superstars werden und Mutti wird im Swingerclub mal gegen eine andere Mutti eingetauscht. Und irgendwann trifft der Sohnemann im Internet auf Jemanden, dem er den Penis abschneiden darf. Und dann isst er den Mann auf. Oder so.“
„Holgi, wie kommst du darauf, dass das Realität ist?“
„Niklas Luhmann sagt das, er nennt es unvermeidliche, aber auch gewollte und geregelte Selektivität.“
„Bah, ich glaube du bist nur ein Kulturpessimist“, damit stand Sybille auf, fischte eine Bierdose aus dem Papierkorb, begutachtete sie und ging mit einem: „Scheiße, Aldi Süd, wie soll ich denn da an mein Pfand kommen“ von dannen.
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