Neulich waren wir in den 70er-Jahren. Bettina und ich besuchten das Konzert von Hard’n Blue, der Band eines ehemaligen Kollegen. Location war eine der ältesten Kneipen Hannovers. Harte Gitarrenmusik der 70er und 80er hieß das grob skizzierte Programm. Der Sänger sah aus wie der anämische Bruder von Jonny Winter
Dunkle Wände, ein hübscher Plastiktotenschädel hier, eine adrette Spielzeugaxt dort. Ein bischen Geisterbahn-Interieur eben. Zum Wohlfühlen. An den Tischen, an der Theke und am Darts-Brett: Männer und Frauen undefinierbaren Alters. In Kleidung, die einst schwarz war. Und die Männer mit langen Haaren, die einmal voll waren. Ich fiel etwas aus dem Rahmen mit meinem after-work-dress. Warum war ich nicht vorher nach Hause und hatte mein Holzfällerhemd und die neuen Westernstiefel angezogen? Dummer Fehler. Eine junge Frau fragte mich dann auf dem Weg zum Klo tatsächlich: "Sie sind doch bestimmt auch von der FDP." – Dieser Schmerz endet nie.
Dennoch: Bettina und ich fühlten uns wohl, endlich mal andere Leute sehen, an der Theke gingen wir bereits in die dritte Runde, der Rotwein war trocken, das Weizen süffig, die Nüsse salzig. Und in dem Gewölbe wurde es immer wärmer, gottlob, denn draußen waren es unter minus 10 Grad. Die Band spielte „Alright now“. Neben mir machten sie ein Quiz: Jeder nennt die Namen von fünf Metal-Bands. Wer die meisten Bands genannt hat, hat gewonnen.
"Motörhead, Black Sabbath, Judas Priest …" Ernstes, zustimmendes Kopfnicken. "… Ozzy Osbourne solo. Gilt nich. Ace of Base. Hahaha.
Vorne spielten sie jetzt ein Stück von Judas Priest", ich weiß nicht mehr wie es hieß. Der Gitarrist sieht jetzt aus wie die späte Joan Collins aus Denver-Clan, leicht toupierte Haare, enge schwarze Lederhose, buntes Hemd mit tiefem Ausschnitt, Westernhut mit Nieten.
"Das ist Ford", höre ich von nebenan, hat sich vor zwölf Jahren geoutet.“ Verdammt, und ich dachte wenigstens Heavy Metal wäre noch hetero pur. Die ersten Akkorde von „Smoke on the water“ klingen an. Ich erzählte die Anekdote wie ich das Stück zum ersten Mal gehört hatte. Die, in der ein Dreimeterbrett, die Mädchenschwimmklasse vom Progymnasium, eine infamerweise von hinten heruntergezogene Badehose und ich die Hauptrolle spielen.
Wir sind dann irgendwann nach Hause gegangen. Vorne spielten sie gerade „On the road again“, der Bass schleppte, der Laden kochte, gellende Schreie, Theatralik und fast nur Männer. Draußen war es klirrend kalt, wir gingen unseren Weg in den untergehenden Mond zur Stadtbahnhaltestelle hin, ein Taxi fuhr mit quietschenden Reifen los und an der Ecke kotzte ein Punk in einen dieser orangenen Papierkörbe.
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