In der Agentur sprachen wir neulich über Autos. Eine Kollegin meinte, dass es heute keine richtig schönen Autos mehr geben würde. Mit wenigen Ausnahmen gab ich ihr Recht, hatte ich doch auch gerade Gran Torino von Clint Eastwood gesehen. Sie meinte auch, dass sie sowieso kaum Bezug zu diesen Blechkisten habe.
Ich weiß nicht wieso, aber da mußte ich spontan an unseren früheren Nachbarn Holger denken: „Holger, der Nafta“, wie Lucie damals immer sagte.
Damals wohnten wir mitten in der Stadt in so einer Juppiwohnung mit hunderten von Quadratmetern, Innentreppe, Studio und tennisplatzgroßer Dachterrasse mit Blick auf das Wahrzeichen Lindens, die „Warmen Brüder“. Schick das.
Holger bewohnte mit seiner Freundin Wibke die Nebenwohnung, sie war noch etwas größer als unsere, Einrichtungsstil: Glühbirnenfabrik plus Bistro durch Spiegelfliese. Holger ist promovierter Sonderschullehrer, Wibke war irgendetwas in der Stadtverwaltung, ihr Job so grau wie ihre Erscheinung, mal war das Grau mehr Taube, mal mehr Elefant. Aber beide waren sehr nett und eben schon so lange zusammen wie wir dort wohnten – und sicher noch länger. Aus Überzeugung fuhren sie kein Auto sondern nur Fahrrad und Öffis und bei Bedarf Stattauto.
Irgendwann sah man die beiden immer seltener zusammen. Irgendwann sass Wibke nicht mehr in ihrem Sessel auf der Dachterrasse, wo sie sonst immer gesessen hatte. Irgendwann war ihr Name von der Haustür verschwunden.
Die beiden hatten sich getrennt, Holger erzählte es uns traurig. Er wollte jetzt alleine in dieser riesigen Wohnung leben: „Dann fahre ich eben nicht mehr in Urlaub, damit ich sie abzahlen kann.“ Aus Wibkes Zimmer hatte er einen „Kartenraum“ gemacht, dort hing eine große Landkarte von der ostfriesischen Küste mit den Inseln, Holger kam von dort und noch heute klingt mir sein „Moin“ in den Ohren.
Wenige Tage später sah ich Wibke, sie holte einige Sachen aus der Wohnung. Unten auf der Strasse sprang sie zu einem jungen Mann in einen silberfarbenen Porsche Targa, überhaupt, sah ich richtig? Trug Wibke an diesem Tag gar nichts Graues? Der Typ im Targa war kroß gebraten wie Jürgen Drews nur etwa dreißig Jahre jünger, sommers Tennis und winters Skilehrer wahrscheinlich. Unsere Blicke kreuzten sich. Sein Blick sagte „Dich kenne ich, du bist Scheiße“, mein Blick sagte:„dito“. Drews gab seinem Targa die Sporen und röhrte unsere Spielstrasse runter.
Natürlich bin ich mir im Klaren, dass dieses Auto (das auch noch eines meiner Träume ist) keinerlei Einfluss auf Wibke und Jürgen sicherlich viele innere Werte hatte, die man von außen einfach nicht sah. Als ich zum Haus zurückging, kam mir Holger entgegen, er schob sein Fahrrad in den Keller.
Das ist jetzt mindestens vier Jahre her. Mittlerweile wohnen wir nicht mehr dort. Aber als ich neulich mal wieder in der Strasse vorbeiging, schaute ich auf das Klingelbrett. Neben Holgers Namen stand dort ein Frauenname. Ich freute mich für ihn von Herzen. Wibke, den Targa und Jürgen habe ich nie wieder gesehen.
http://nordlichtblog.blogs.com/hirnstromblog/2008/08/meine-autos-5.html
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