Da habe ich die Sache mit Michael Jackson noch nicht ganz verwunden, muss ich lesen, dass Willy de Ville mit 55 an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben ist. Seine Band Mink de Ville gehört seit Anfang der 80er Jahre zum Soundtrack meines Lebens. Richtig berühmt war er glaube ich nie, aber er war oft auf Tour und ich habe nie eine schlechte Kritik über ihn gelesen. Ich wollte auch immer noch mal zu einem seiner Konzerte gehen. Und habe schon wieder zu lange gewartet…
Zum ersten Mal gesehen habe ich ihn 1981 in einer dieser legendären Rockpalast-Nächte. Da wurden kurz vor Mitternacht Konzerte aus der Gruga-Halle im Fernsehen gezeigt und gleichzeitig in Stereo im Radio übertragen. Wir sassen dann meistens mit Freunden zusammen, Kasten Bier, Dose Würstchen, Glas Gurken, Paket Toastbrot, und schlugen uns die Nacht um die Ohren, denn die Konzerte liefen meist bis zum Morgengrauen.
An jenem Abend sass ich aber alleine mit meiner Freundin in unserer ersten gemeinsamen Wohnung. Die wilden 70er Jahre waren vorbei, ich war anscheinend im bürgerlichen Leben angekommen, ging zur Bundeswehr als Zeitsoldat, fuhr einen VW-Käfer und trank deutsche Spätlese.
Kurz nach Mitternacht wurde Mink de Ville angekündigt, in Deutschland kannte ihn noch kein Schwein. Und da stelzte er auf die Bühne, groß, heroinschlank im Look eines spanischen Zuhälters: Goldzahn, Ohrringe, bleistiftdünner Schnurrbart, hochgefettetes langes Haar, Gehrock, Stock und Rüschenhemd. Und er spielte „Spanish Stroll“, seinen größten Hit. Seine Energie war durch die Glotze spürbar und muss im Saal enorm gewesen sein, der tobte und wir waren begeistert. Ein bischen Springsteen, ein bischen Bowie und ein Schuß Dylan, das ganze mit viel Schmalz und schwülem Louisiana-Cajun angerichtet. Dazu rauchte er ständig, trank John Daniels und fluchte. Das war das Ende der 70er Jahre Musik und der Start der 80er, die furios mit Punk, New Wave und NDW starteten um dann mit viel zu viel aha und Spandau Ballet gottlob auch irgendwann wieder zu Ende zu gehen. Willys Look hat Jonny Depp in „Fluch der Karibik“ nachgemacht. Den Bart habe ich Mitte der 90er kopiert, heute trägt ihn Stefan Raab immer noch und die Idee mit dem Gehstock, den ich mir besorgen will, wenn ich Opa werde, die kommt auch von Willy.
Während ich diese Zeilen schreibe laufen zum zigsten Mal seine Songs vom i-Pod: Mixed-up shooked-up girl, Savoir faire, Each Word’s a Beat of my Heart, das völlig verrückte Mazurka … und natürlich Spanish Stroll.
Ich bin der gleichen Meinung wie sein Manager, und das beruhigt mich: Willy de Ville ist von uns gegangen um da oben mit Edith Piaf, Frank Zappa, Stevie Ray Vaughn und Jack Nitzsche (sein erster Produzent) zu trinken und irgendwann zur Gitarre zu greifen…
Ich darf die nächsten Konzerte von Dylan und dem Boss nicht verpassen.
Ist doch interesant, wie viele Leute ich mit Willy hinterm Ofen vorlocke. Das mit dem bad guy trifft bestimmt auf ihn zu, Frank. Aber hältst du DFW für einen? Der war literarisch bestimmt unheimlich provozierend, aber ansonsten hat er doch sein Leben lang gegen seine Depressionen gekämpft. Und gestern Abend habe ich in "Lyndon" gelesen, dass er seinen eigenen Selbstmord literarisch vorausgesehen hat. Ich kam durch den aktuellen Spiegel-Artikel drauf.
Kommentiert von: wth40plus | Dienstag, 11. August 2009 um 16:33 Uhr
Willy de Ville war der bad guy, der wir auch alle gerne gewesen wären. So wie David Foster Wallace in der Literatur.
Kommentiert von: Frank B. | Dienstag, 11. August 2009 um 16:15 Uhr
Hey Joe ist auch genial, aber ichn muss gestehen, dass ich die Mink de Ville-Zeiten mehr verfolgt habe als seine Solosachen.
ZumThema Spätlese: Zu der Zeit galt ein süßer Wein als etwas besonders Edles, man trank Spärlesen, Auslesen oder gar Beerenauslesen (brrr). Dann kam der Glykolskandal.
Kommentiert von: wth40plus | Montag, 10. August 2009 um 13:41 Uhr
Und was ist mit Hey Joe, dieser herrlichen Mariacho-Version aus den späten 90ern, glaube ich.
Kommentiert von: Holger Mierscheidt | Montag, 10. August 2009 um 11:31 Uhr
Könntest du das mit der Spätlese bitte nochmal erläutern?
Kommentiert von: kieke | Montag, 10. August 2009 um 11:28 Uhr