Ich bin ein temporäres Kriegskind. Nicht im eigentlichen Sinne, alterstechnisch, sondern weil ich teilweise von meinen Großeltern väterlicherseits großgezogen wurde, ich verbrachte manchmal bis zu drei Monate bei ihnen. Meine Großeltern gaben ihre Erfahrungen aus der entbehrungsreichen Kriegs- und Nachkriegszeit an mich weiter. Während meine Altersgenossen Tri-Top tranken, "Brauner Bär" schlabberten, und kaputtes Spielzeug einfach wegschmissen, sahen meine Sechzigerjahre folgendermaßen aus: Schimmel wurde vom Brot weggeschnitten oder von der Marmelade abgelöffelt und dann: rein mit dem Zeugs! Hartes Brot wurde am Ende der Woche in süße Milch geplockt. Alte Seifenreste sammelte meine Oma mit der Passion eines manischen Eichhörnchens und presste sie unter Hochdruck zu neuen, kunterbunten und olfaktorisch verwirrenden Patchwork-Waschklötzen. Restaurant- oder auch nur Stehimbissbesuche kannte ich nicht, auch nicht aus dem Fernsehen; denn meine Großeltern hatten nur ein Dampfradio, vor dem wir abends beisammensassen. Wenn man aus dem Haus ging und befürchtete, von Hunger und Durst überrascht zu werden, dann hatte man gefälligst eine Schmalzstulle und eine Thermoskanne mit ungesüßtem Muckefuck mitzuführen. "UHU" war für mich ein Begriff aus der Ornithologie; zum Papierkleben rührte mein Opa in einem ausgewaschenen Joghurtbecher ("ohne Geschmack"!) ein wenig Mehl mit Wasser an! Und er reparierte auch mein Spielzeug, denn „da ist das beste noch nicht von weg“, wie er sagte.
Deshalb kommt bei mir noch manchmal das Knickern durch. Der Kauf des Festplattenreceivers wurde nochmals verschoben, der Videorekorder selber repariert. Bis heute benutze ich alle Teebeutel sieben bis neun Mal, um sie anschließend auf der Wäscheleine zu trocknen, mit einem Überzug aus den Resten dünngeschneuzter Stofftaschentücher zu versehen und als Federdeckchen für die Legofiguren meiner Tochter zu verwenden. Aber es gibt Schlimmeres als Sparsamkeit, zum Beispiel Spargelcremesuppe.
hier der neueste tipp aus dem landkreis diepholz, den ich sofort weitergeben muss - "die erna" schneidet bei strumpfhosen die wegen einer laufmasche untragbar wurden das laufmaschenbein ab. denn: früher oder später hat man von diesen einbeinigen modellen zwei und kann diese dann prima übereinandertragen.
Kommentiert von: Anja | Montag, 14. Juli 2008 um 15:23 Uhr
meine oma hat bis vor kurzem noch das wasser vom haarewaschen aufgefangen um in dem prima seifenwasser strümpfe auszuwaschen. ich finde das ist schwer zu toppen.
diese angewohnheit hat sie auf ihre ganz alten tage abgelegt: seitdem sie im altendomizil wasser und strom pauschal bezahlt. sie schwelgt jetzt auch im totalen luxus der kriegsgeneration: die heizung aufdrehen, nur weil es kalt ist.
Kommentiert von: Anja | Donnerstag, 10. Juli 2008 um 13:26 Uhr