Also, zur Morgenstund habe ich alles mögliche im Mund, nur kein Gold. Meine Welt ist um diese Stunde auch noch keineswegs in Ordnung: weder um sechs noch um sieben. Ich bin nämlich das, was der Volksmund als ”Morgenmuffel” bezeichnet. Ich finde auch, dass die Situation des morgendlichen Aufstehens eine ganz harte Prüfung ist, vor die uns das unerbittliche Leben jeden Tag stellt. Und das seit Jahrtausenden von Menschenjahren. Es gibt nur eine Alternative: Man kann entweder aufstehen oder liegenbleiben. Nur schwarz oder weiß, dazwischen gibt es nichts, keine Zwischentöne.
Neulich war wieder einer dieser gnadenlosen Morgende: Die Uhr behauptete es sei sieben, gefühlt war es höchstens 4 Uhr 30. Das ist die Zeit, wo Küsse noch Fäden ziehen und ich hatte noch etliche Traumfetzen in der Rübe.
Aus dem Badezimmerspiegel grinste mir plötzlich das Gesicht meiner alten Erdkundelehrerin Frau Bollenbach entgegen. Jaja, die Bolle war in der Harzburger CDU, dem Kaff in dem ich zur Schule ging. Die Alte grinste mich an und sagte zu mir: ”Du sollst nicht das Amt des Bundespräsidenten beschmutzen.” Frau Bollenbach hatte immer gesagt, ich sollte mal Journalist werden, da ich so schöne Aufsätze schreibe, aber keinerlei Begabung für die linken Nebenflüsse des Amazonas und die Hauptstädte Westafrikas hätte (wie heißt die Hauptstadt von Obervolta? Ouagadugu, kein Witz). Aber verdammt, woher wusste die alte Kralle, dass ich den Popen immer Raufasel nenne? Dann erklärte sie mir aus dem Spiegel heraus, dass ich ihr vertrauen könne, sie sei ja Vertrauenslehrer.
Vertrauen, einem Lehrer? Und dann noch der alten Bollenbach. Wo doch jeder weiß, dass der Lehrer der natürliche Feind des Menschen ist. Vertrauens-Lehrer, das klingt wie ”zahmer Barracuda” oder ”tapferes Henkerlein”.
Plötzlich verwandelte sich die Bollenbach in meine alte Großmutter väterlicherseits, sie nahm ihr altes, nach Mottenkugeln riechendes, Taschentuch, speichelte dieses zweimalig ”Pfit, Pfit” ein und wischte mir mit einem gegrunzten ”Komma zu Omma” den Morgengrind aus den Mundwinkeln. Und dann war sie plötzlich wieder die Bollenbach, die mit dem Zäpfchen am Arm durch mein Hirn tanzte. Ich verschluckte mich an der Zahnpasta, ich hatte sowieso schon wieder Elmex mit Aronal verwechselt.
Was für ein Morgen.
Aber ich habe ein Mittel gegen solche Albträume. Wenn es mich nach morgendlicher Ruhe dürstet, dann gibt es nur eins: Zen, die Kunst des Bogenpissens.
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