Gestern in der Stadtbahn. Ich setze mich neben einen hüstelnden Herren, der – wie ich später feststellte – geschlagene 35 Minuten brauchte, um die Bild vom vorhergehenden Tag zu lesen. Ich möchte das auch mal können, dann müßte ich nicht immer so viel zu lesen mitnehmen. Stephansstift. Ein etwa 18-jähriges Mädchen steigt mit einem Schäferhund ein, schmeißt erstmal eine Einmalspritze unter den Sitz und legt sich auf eine Bank. Kurze Zeit danach beginnt sie monochrom zu wimmern: „50 Euro, 50 Euro..“
Kantplatz: Ein Mann, der der Bruder von Roland Koch sein könnte, steigt mit halbliter Bier ein, stolpert erstmal einer Omma in die Arme, muss wohl schon mehrere weitere Dosen intus haben, hochroter Kopf wie kurz vorm Infarkt...
„50 Euro, 50 Euro haben mir die Bullen für den Hund abgeknöpft...“, jammert Christiane F. von links, die Ommi setzte sich neben sie, um sie zu beruhigen.
„Sag mal, was ist eigentlich Pokemon“, frage ich den Jungen neben mir, um vom sozialen Brennpunkt zu abstrahieren. Er war sehr erfreut und zählte mir alle Namen auf.
Aegi: Die Bahn stoppt abrupt im Tunnel. Kochs Bruder fällt wie eine Vase einfach um. Habt ihr schon mal einen Betrunkenen umfallen sehen, der fängt sich nicht mit den Armen ab, nein, das hat ihm sicher sein Orthopäde empfohlen, wegen der Handgelenke.
„50 Euro, 50 Euro, von wegen du Schlampe, dassis viel Geld. Haste keine Ahnung dann hältste díe Schnauze...“ Langsam beginne ich zu bedauern, dass ich mein Kamerateam nicht dabei habe, Schlingensief ist wieder ein Dreck dagegen. Ich werfe einen Blick auf Kochs Bruder, aber kein Grund zur Besorgnis: Er rührt sich schon wieder un d hat übrigens keinen Tropfen Bier verschüttet. Außerdem nimmt sich Ommi seiner an, nachdem sie bei Christiane F. ja in Ungnade gefallen war. Der Junge neben mir war bereits bei Pokemon Nummer 80 angekommen, aber da musste ich aussteigen
„Danke für das Gespräch“, meinte der Rotzbengel. Wieder einmal so ein Tag, an dem ich bedauerte, nicht an der Endstation zu wohnen.
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