Mein Lieblingsfrisör, der Doc und ich trafen uns zum Milchkaffee im Cafe Chelsea. Im Chelsea, Ecke Gerberstrasse/Oertzenstrasse in der Calenberger Neustadt gibt es den besten Milchkaffee mit dem zartesten Schaum der Stadt. Unser Frisör trank außerdem noch drei Dosen polnisches Bier (die Besitzerin des Chelsea, Agnieszka, ist gebürtige Polin), er steckt nämlich in einer schweren Krise.
Mein Lieblingsfrisör ist entsetzlich nervös: Er setzt er sich aufs Sofa im Chelsea, springt auf, geht die Wände hoch, empfängt und versendet eine SMS, setzt sich wieder hin, macht sich ein paar Notizen, steht auf, prüft die Batterien in seinem Aufnahmegerät, drückt die Nase ans Fenster, setzt sich wieder hin, setzt sich umständlich anders hin, steht wieder auf, spitzt seinen Bleistift, hüpft von Hölzchen auf Stöckchen, fummelt am Plattenspieler herum, wirft eine Skizze in seinen Block, zupft an den Blumen und macht nebenbei Bilder mit seiner Digitalkamera, alles das, noch bevor Agnieszka ihm überhaupt ein kaltes Bier bringen kann. Phänomenal. Sein Zuspätkommen zu unserem Termin entschuldigt er mit den Worten: "Das Leben ist ein ewiger Kampf gegen die Passivität von Strümpfen."
Der Doc schaut ihn ruhig an und fragt: „Soll ich dich untersuchen, vielleicht hast du einen Leuchtröhrenkatharr?“
Der Frisör nimmt einen Schluck vom Polnischen und doziert: "Alles was passiert, geschieht 100 Meter weiter. Vielleicht sollte ich meinen Job aufgeben und versuchen, mich als Designer von Teebeuteln und Käserinde zu etablieren. Es gibt Momente, da komme ich mir vor wie ein Füllwort während einer Diskussion im Rahmen der Diskursethik. Ich bin einsam und verlassen. Kennt ihr diese Phasen, in denen man nur Leuten begegnet, die Lars heißen: Typen, die gefärbte Haarspangen schlucken, Tretboote verleihen und am Wochenende mit ihrer Freundin Schildkröten bemalen?“
Der Doc schmeißt unserem Frisör heimlich eine kleine Pille in die Bierdose, woraufhin dieser seufzend auf dem Sofa eindöst. Jetzt konnte ich endlich meine Probleme loswerden: „Doc, unsere Tochter macht mich immer öfter zwischen vier und fünf Uhr morgens wach. Dann bin ich bis zum Mittag völlig matschig, was soll ich tun?“
„Das wird sich wieder einpendeln, spann deine Frau ein, soll die doch mal aufstehen. An solchen Tagen solltest du allerdings keine schwerwiegenden Entscheidungen fällen. Britische Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Testpersonen zur Problemlösung viel länger brauchten, wenn sie unausgeschlafen waren und außerdem mehr zu Fehlentscheidungen neigten. Hier unser Freund wird jetzt zwei Stunden schlafen und dann sieht seine Welt ganz anders aus.“
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