Meine erste Stammkneipe waren die Härkestuben in Bad Harzburg. Harzburg, ein langweiliger Harzkurort, der sich weltgeschichtlich nur zweimal zu Wort meldete: Einmal ging jemand von dort nach Canossa und einmal gründete dort ein anderer die braune Harzburger Front.
Neulich waren Bettina und ich anläßlich der Home Coming Days des NIG (Niedersächsisches Internats Gymnasium) ein verregnetes Wochenende dort. Natürlich machten wir auch einen Stadtrundgang. Allein: Ich fand die Härke Stuben nicht mehr. An ihrer Stelle steht jetzt ein Lokal für kreisrunde italienische Lebensmittel... es bleibt die Erinnerung:
Die Härkestuben duckten sich im großen Schatten der Lutherkirche, einem protestantischen Graubau aus dem vorletzten Jahrhundert. Ich war dreizehn, als meine Internatsmiteleven Edwin und Andreas mich dort hin schleppten.
Edwin war drei Jahre älter als ich und ein Kerl von einem Jungen, der seine schützende Hand immer über mich hielt, wenn ich wieder mal lose Sprüche gegenüber Stärkeren oder zahlenmäßig Überlegenen absonderte. Dafür erklärte ich Edwin Brechts Parabeln oder half ihm bei der Interpretation deutscher Nachkriegsgedichte. Beides blieb dem Bauernsohn weitgehend verschlossen.
Edwin habe ich aus den Augen verloren, weiß aber, dass er Förster in Hodenhagen geworden ist. Andreas sehe in zu selten, aber immerhin. Damals wurde er nicht damit fertig, dass ich zwar zwei Jahre jünger war als er, aber als Großstadtpflanze sexuell wesentlich informierter, zumindest theoretisch. Dem behüteten Sohn einer Mittelschullehrerin und eines Kaufmanns aus Wolfenbüttel war das suspekt.
Jedenfalls nahmen die beiden mich eines Abends Anfang der 70-er Jahre mit in die Härkestuben. Dort erfüllte immer lautes Palaver den großen, wartesaalähnlichen Schankraum, in dem an den Tischen und Tresen fast ausschließlich Männer saßen, Schafskopf spielten und HB, Overstolz und Senussi rauchten. Um halb neun mußte ich damals wieder im Internat sein, die Zeit reichte meist nur für zwei kleine Bier, 75 Pfennig kostete das Glas. Eigentlich war es mir viel zu bitter, aber es erzeugte so einen angenehmen Strudel in meinem Kopf. Und ich fühlte mich erwachsen und angenommen im Kreise der beiden Älteren.
Wenn wir aus den Härkestuben traten, stopften wir uns schnell zwei drei Pfefferminz in den Mund, denn natürlich galt im Internat strenges Alkoholverbot. Dann warf ich manchmal noch mit einem schlechten Gewissen einen Blick auf die Kirche. Dort bin ich nie drin gewesen. Aber rückblickend mit der gnädigen Unschärfe der Altersweitsicht, behaupte ich, dass die lebensvorbereitende Grundausbildung in der Härkestube der in der Lutherkirche sicherlich vorzuziehen war.
Tja, Härke gibt es noch. Ist eine kleine Privatbrauerei aus Peine bei Hannover: http://www.haerke-brauerei.de/index.php?sid=e96f761ac72b06b05512356fc377d13f&site=home
Du hast Recht: Dieses Mal ist alles wahr. Aber ist das wichtig?
Kommentiert von: wth40plus | Dienstag, 19. Juni 2007 um 12:01 Uhr
Das scheint mir eine deiner Geschichten zu sein, an denen wahrscheinlich alles wahr ist, oder? Härke war ein greulich bitteres Gebräu. Mehr was für Bergarbeiter. Gibts das noch?
Kommentiert von: obdulmx2 | Dienstag, 19. Juni 2007 um 09:28 Uhr