Seit langem wieder einmal fuhr ich mit meinem Lieblingsfrisör in der Stadtbahn. Wir hechelten meine drei Lieblingsthemen (Royals, seltene Hautkrankheiten und exotische Fleischsorten) durch und tauschten gerade unsere geschmacklichen Erfahrungen mit Gnuschulter, Straußensteak und Krokodilbauch aus, als der Maitre meinte: „Ist es eigentlich okay, Ratten zu essen?“
Meinen Einwand, dass sich diese Frage doch nun nicht direkt aufdränge, ließ er unter anderem mit dem Hinweis des Chinaengagements gewisser Reiseanbieter nicht gelten.
„Klar, „spagetti ratta, rat au vin oder fried ratlegs findest du im Moment noch nicht auf den Speisekarten, aber es dauert bestimmt nicht lange, dann kommt ein Sternekoch im SZ-Magazin auf die Idee, das lange unterschätzte, kulturell zu Unrecht schlecht angesehene und cholesterinarme Rattenfleisch zu entdecken. Und dann wird as auch bald bei Biolek gekocht.“
„Oh ja, das sehe ich schon vor mir“, griff ich in seine Gedanken ein, „Was hast du uns denn leckeres Mitgebracht,Elke? – Eine Ratte, Alfred – Hmmmm, da habe ich hier einen ganz leichten Rotwein dazu...“
Der Maitre hatte ja auch wirklich Recht, Ratten essen kann ja grundgut sein:
Erstens: Ratte ist Slowfood. Man muss sie lange garen, sonst bleibt sie zäh. Und wegen der Keime.
Zweitens: Ratte stärkt den regionalen Wirtschaftskreislauf. Man muss sie nicht von Übersee erst einfliegen, jeder Keller in Kanalisationsnähe ist Jagdgebiet. Für ein Kilo Ratte müssen nicht zwanzig Kilo Getreide verbraucht werden, die dann wieder in Afrika fehlen.
„Und überhaupt“, erinnerte mein Frisör, „Ratte ist letztlich nur eine Wiederentdeckung, frag mal deine Urgroßeltern, wie das im Hungerwinter 1917 war...“
Wir kamen zu dem gemeinsamen Schluss, dass Ratte essen auf jeden Fall okay ist, mehr als ein kulinarischer Trend. Ratte paßt zum Zeitgeist der neuen Bescheidenheit. Unsere Tatort-Kommissare gehen ja auch mit gutem Beispiel voran und verzehren täglich vor Fotografen Curry-Ratte.
„Tja Maitre“, „verabschiedete ich meinen Freund,“bald kommt täglich Ratte auf den Tisch...“
„Nur freitags nicht“, zwinkerte er mir zu, „da gibt’s Qualle.“
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