(taz) Findet die deutsche Raucherecke schon bald Aufnahme in den erlauchten Kreis der weltweit wichtigsten Kulturstätten? Der Welterbeausschuss der Unesco entscheidet morgen über einen entsprechenden Antrag der in London ansässigen World-Smoker-Association (WSA). "Der Bestand der einzigartigen deutschen Rauchpausenorte ist durch die sich anbahnenden Nichtraucherschutzmaßnahmen der Bundesregierung akut gefährdet", sagte gestern ein WSA-Sprecher in Berlin. Deutsche Raucherecken stellten mit "ihren pittoresken Standorten, ihrer unverwechselbaren Möblierung und dem zugrunde liegenden sozialen Gedanken einen Höhepunkt in der europäischen Rauchkultur dar." Durch ihre Ernennung zum Weltkulturerbe hoffe man wenigstens einige dieser "Monumente geselligen Tabakkonsums" über die generelle Raucherächtung hinaus der Nachwelt zu erhalten.
(wth) Legende war zum Beispiel die Raucherecke in meiner alten Schule, dem NIG (siehe Bad Harzburger Geschichten im Hirnstromblog): ein zahnbelagfarben gefliester Windfang eines Nebeneinganges, dessen Tür zum Gebäude zugemauert wurde. Neben diversen Putzmittelkanistern, Besen, Feudeln und einer Bohnermaschine fand sich kein Stuhl (man sollte stehen). Die bis auf ein Oberlicht fensterlose Kammer wurde denkmalwürdig durch den zentral aufgestellten einbeinigen Stehtisch mit resopaler Rundplatte, darauf, mittig positioniert, ein gläserner Ascher mit Werbeaufdruck "Jägermeister". Klar, dass der Ascher stets randvoll gefüllt war. Nach einem halben Jahr durfte man sich nicht mehr an die Wand der Kammer lehnen, weil sich eine zähe, eiterfarbene klebrige Nikotinpaste darüber legte.
Nicht minder schützenswert der Raucherbereich in der ehemaligen Firma von Bettina und Frau Schröder-S. Ein ehemals freundliches, helles Indoor-Ensemble am äußersten Nordende des Gebäudes, das ebenfalls durch die klassische Möblierung mit den hier sogar tischdeckchenunterlegten Aschern bestach. Gleich einem harmonischen architektonischen Akkord waren hier drei der für Raucherecken so signifikanten Einbeiner im Raum gruppiert. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, dann gab es etwa vier wacklige Stühle, ansonsten dienten drei Fensterbänke als Sitzgelegenheiten. Ein Rauchpausenambiente, wie man es so stimmig demnächst vielleicht nur noch selten in Deutschland vorfindet. Was allerdings ein Jammer wäre.
Die klassische Raucherecke im Outdoor-Bereich gab es in unserem Schullandheim in Eldagsen/Deister. Sie kam ohne den symbolhaften Stehtisch aus: Dort stand ein besonders schönes Exemplar von überdachtem Holzpavillon mit traditioneller Ausstattung: brandgefleckte Holzbänke, grauer Tonnenascher, Spucknapf.
Vor kurzem lernte ich zwecks Backofenabholung die idyllische Garageneinfahrt zur Saturn-Warenannahme in Hannover-Mitte kennen. Hier war zwar das Rauchen bereits per Schild von der Geschäftsführung verboten. Was aber einen wahren Raucher nicht schrecken kann. Unbedingt zu empfehlen, da man von den dort rauchenden Mitarbeitern erbauliche Interna und sachdienliche Schnäppchenhinweise bekommt.
Zuguterletzt ein sehr moderner Rauchort, ein wahres Design- Kleinod, das ich bei der EnBW in Karlsruhe kennenlernte. Als Nichtraucher muss man schon genau hinschauen, eine plastiküberdachte transportable Minitankstelle, wo die Raucher unter einer Art Käseglocke hocken und von einem beständigen Summen gefoltert werden. Eine Raucherecke, wie sie rauchereckiger gar nicht sein kann, weil sie völlig ohne Ecken auskommt.
Es gibt demnächst eine Raucherecke weniger: Ab dem 1. September gibt es für rauchende ICE-Fahrgäste auf der Strecke Berlin-Köln nur noch eine Hoffnung: Allein am Bahnhof Hamm-Westfalen wird aufgrund der notorischen "Abkopplung des hinteren Zugteils" Zeit genug bleiben, um eine hektische Zigarette in der "Raucherzone" des Bahnhofs durchzuziehen - so es sie denn noch gibt, denn auch diesen schmalen Reservaten soll der Garaus gemacht werden. Falls sie denn erhalten blieben, sollte die Bahn schon mal ein Reservierungssystem entwickeln, das im Falle eines Haltes einen schnellen Zonen-Zugang ermöglicht.
Kommentiert von: kieke | Freitag, 04. Mai 2007 um 15:35 Uhr
Finde ich meine eigenen Erfahrungen absolut drin wieder. geben Sie auf Google-Bilder einmal "Raucherecke" ein.
Kommentiert von: E.F. Dräcker | Mittwoch, 14. März 2007 um 13:25 Uhr
Das klingt so, als wäre es mit den Raucherecken bald vorbei. Glaubst du nicht, dass durch das irgendwann - auch in deutschland - kommende Rauchverbot die Raucherecken eher zunehmen werden?
Kommentiert von: kieke | Mittwoch, 14. März 2007 um 11:10 Uhr