Montag war ich wieder mal zu Besuch bei meinem Lieblingsfrisör in der Praxis und ließ mir schon mal einen sommerlichen Haarschnitt verpassen. Dabei erzählte er mir begeistert, dass er in der TUI Arena bei „50 Jahre Rock“ war. Ich konnte nur bedingt mitreden, weil ich zwar Teile der Sendung im Fernsehen sehen konnte, aber auf Bettinas vielfältigen Wunsch wieder eine „Strychninkapselsendung“ sehen mußte.
Ich glaube das muss ich erklären: Wir haben grundlegend unterschiedliche Auffassung von filmischer Qualität. Bettina zum Beispiel liebt Problemfilme. Ein Problemfilm kommt meistens aus Frankreich und es wird ständig geredet, am liebsten durcheinander. Meistens sitzen dabei ein Mann und eine Frau in der Küche oder im Bistro am Tisch und lesen sich gegenseitig Ausschnitte aus Tageszeitungen vor, d.h. sie versuchen die gesammelten Probleme dieser Welt in anderthalb Stunden zu lösen.- Die Problemkonstellationen sind immer in etwa so: Eine junge Frau, die in ihrer Kindheit vom Schäferhund ihres Stiefvaters vergewaltigt wurde, lebt in dritter Ehe mit einem wesentlich älteren Mann zusammen, der impotent ist und durch einen Haushaltsunfall eine Hirnschädigung erlitten hat, die schleichend innerhalb von drei Monaten seinen Geist erweicht. Beide haben siamesische Drillinge (aus der Zeit vor seiner Impotenz!), die nach der chirurgischen Trennung die volle Aufmerksamkeit ihrer Eltern benötigen. Leider hat der Mann sich überdies verspekuliert und die Familie muss von der Sozialhilfe leben. Am Ende eines solchen Filmes bringen sich meistens die Protagonisten gegenseitig um oder begehen zumindest einvernehmlichen kollektiven Selbstmord.
Nach Betrachten eines solchen Filmes bin ich immer so depressiv, dass ich mir einfach eine Strychninpille aus meinem kleinen Döschen nehme, Bettina hingegen ist immer vollauf begeistert...
Naja, jedenfalls konnte ich die Begeisterung meines Lieblingsfrisörs nicht gebührend teilen. Er erzählte mir dann abschließend auch noch völlig empört, dass am gleichen Abend Karl Moiks Musikantenstadl eine höhere Sehbeteiligung gehabt habe, als „50 Jahre Rock“.
Wir philosophierten angesichts dieser schockierenden Nachricht über den geistigen Zustand unserer Republik und streiften auch die Tatsache, dass Moik in eben dieser Sendung Italiener als „Spagettifresser“ bezeichnet habe, einigten uns aber darauf, das diese Verfehlung sicher mit seiner Herzattacke vom Rosenmontagsumzug zusammenhinge.
Mein Lieblingsfrisör fragte mich dann abschließend, was ich vom Vorschlag für einen fensehfreien Tag pro Woche halte und stattdessen mal ins Theater zu gehen.
Mein Lieblingsfrisör und ich sind uns einig und gegen einen solchen Tag, denn: Womit sollen die Grenzdebilen sich beschäftigen, auf die ein Gros unserer Fernsehunterhaltung zugeschnitten ist? Wäre es denn wahrlich ein Gewinn, säßen diese Leute im Theater plötzlich neben uns?
Heute Abend bin ich mit Gattin im Theater: „Harold and Maude“. Ich habe meine Strychnintabletten dabei und gottlob ist heute kein fernsehfreier Tag...
Letzte Kommentare