Die Diefenbachie in unserem Gästezimmer scheint zu sterben. Braune Blattränder im Tagestakt verkünden das Ende. Das ist bei Pflanzen besonders in der dunklen Jahreszeit nichts Ungewöhnliches. Beunruhigend ist, dass auch der frisch gezogene Ableger im Wohnzimmerfenster ähnliche Symptome zeigt. Jetzt nennen wir sie „Bitterfeld 1 & 2“, weil sie beide aussehen wie eine unabgeholzte Weihnachtstanne neben dem Chemiewerk.
„Ich glaube das liegt daran, dass sie von deiner Exfrau stammt“, meinte Bettina neulich. - Mag sein, dass da etwas dran ist, Pflanzen sollen ja eine Seele haben. Und vielleicht verspürt sie die Kühle des Verhältnisses. Bitterfeld 1 ist der Nachfolger einer zimmerhohen Diefenbachie, die ich in der dunklen Zeit meines Lebens besass. Als wir uns trennten, teilten wir die Pflanze einfach in zwei Teile, ich behielt den unteren Teil. Seitdem baut die Pflanze über sieben Jahre lang ab und wurde immer kleiner. Bitterfeld eins und zwei passen jetzt in Blumentöpfe mit 15 Zentimeter Durchmesser. Es gibt noch einen Pfennigbaum , den ich mal von Ursula geschenkt bekommen hatte. Mit ihr verband mich eine kurze und sinnlose Laison, die mit „das wars, du Arsch“ endete. Der Pfennigbaum fristet heute ebenfalls seine krüppelige Existenz in einer unserer Fensterbänke.
„Ich glaube, Bitterfeld hat Existenzangst“, meinte unser Freund Tom neulich. Tom wohnt auf dem Lande und hat Ahnung von Pflanzen. Aber einer Pflanze, selbst wenn sie „Bitterfeld“ heißt, Existenzangst anzudichten... ? - Ich glaube, da geht auch Tom zu weit.
Ähnlich wie zuvor das Wort Globalisierung muss „Existenzangst“ momentan für alles herhalten. Für Stagnation, für Entlassungen. Wer vom vermeintlich Unveränderbaren erschlagen wird, braucht nach den Ursachen nicht zu forschen. Soll ich unserem Vermieter demnächst mal das Ausbleiben der Miete mit Existenzangst zu begründen versuchen? Ich bezweifle, dass das erfolgreich sein wird.
Ich werde Bitterfeld 1 &2 heute Abend einmal fragen, ob sie Existenzangst haben. Ob ihnen nach Demonstration oder Friedensandacht ist. Oder nach einer Lichterkette...
Lieber Herr Dräcker,
ich habe Ihren Vorschlag beherzigt, Bitterfeld 1 war nicht mehr zu retten, aber No2 steht jatzt an einem ruhigen, geschützten Ort mit mittlerer Lichteinstrahlung. Ich werde über die Ergebnisse berichten.
Kommentiert von: wth40plus | Montag, 22. Januar 2007 um 13:17 Uhr
Mag sein, aber in diesem speziellen fall gebe ich Mal einen Tipp: Dieffenbachien sind sehr empfindlich. Sie müssen an einem Oret stehen, wo sie nicht berührt werden, also wo auch niemand ständig vorbeiläuft und die Blätter streift. In der Fensterbank steht sie falsch, weil sie auch keine Zugluft verträgt und keine Heizungswärme. Wenn Sie noch etwas von den beiden Bitterfeldern haben wollen, sollten Sie schnellstens handeln. Außerdem können Sie doch mal mit der Exfrau reden, oder?
Kommentiert von: E.F. Dräcker | Montag, 22. Januar 2007 um 09:57 Uhr
Ich glaube auch, dass Pflanzen solche Dinge "spüren".
Kommentiert von: Wanda Tinaski | Montag, 22. Januar 2007 um 09:54 Uhr