Es war nicht mein Tag. Am Morgen wollte ich eine Tüte Milch öffnen, um Lucie eine Flasche zu machen, aber der Tetrapack ließ sich nicht so einfach bezwingen. Als ich endlich meinen Zeigefinger in die kleine Öffnung gebohrt hatte, rutschte er ab und ich goss mir einen Liter Milch über die Hose. Beim Versuch, der weißen Dusche auszuweichen, warf ich noch meine Lieblingstasse auf den Boden.
Nachdem ich mich umgezogen hatte, klingelte der Postbote und brachte ein Päckchen von einem Musikversand: die nagelneue „12 Songs“ von Neil Diamond, produziert von Rick Rubin. Ich fand den Zipfel des Bändchens nicht, mit dem man die Zellophanhülle aufreißen konnte, und rückte der Verpackung mit einem Messer zu Leibe. Dabei brach der Deckel der CD-Box am Scharnier ab, und die CD fiel auf den Fußboden. Ungläubig sah ich zu, wie die Scheibe durch die Küche rollte und im Abflussgitter hinter der Spülmaschine verschwand. Als meine Frau erklärte, dass dieser Fuzzysänger aus Kalifornien nun an seinem Bestimmungsort angekommen sei, warf ich sie raus und bekam einen Tobsuchtsanfall, dem unser Kaffeebereiter zum Opfer fiel.
Ich bin nicht ungeschickter als andere. Ich habe, wie die meisten meiner Landsleute, lediglich Schwierigkeiten mit Objekten des täglichen Bedarfs. Ich hasse Videorekorder, Digitalkameras, Auto-Kindersitze und Mobiltelefone. Ichn warte sehnsüchtig auf ein Handy, mit dem man weder fotografieren noch sich rasieren, sondern lediglich telefonieren kann. Aber auch Dosenöffner, Waschmaschinen und Einwegwindeln können mich umbringen - ebenso wie Klebeband, da finde ich nie das Ende der Rolle.
Es ist für mich auch eine fast unlösbare Aufgabe, eine Schokoladenweihnachtskugel auszuwickeln, was für die bevorstehenden Festtage nichts Gutes verheißt.
Möglicherweise muss der Weihnachtsmann dafür büßen, denn mit Gewehren habe ich keine Schwierigkeiten, hatte bei der Bundeswehr sogar die silberne Schützenschnur und war ein gefürchteter Häuserkämpfer.
Am Abend hatte ich die CD aus dem Abfluss befreit, musste dazu aber das einzementierte Abflussgitter mit einem Schlagbohrer zerstückeln. Weil das eine Weile dauerte, hatte ich den Videorecorder eingeschaltet, um meine Lieblingssendung aufzunehmen. Als ich mich genüsslich hinsetzte, um sie mir anzusehen, stellte ich fest, dass ich versehentlich einen Dokumentarfilm über Schönheitsreparaturen an einem Einfamilienhaus aufgenommen hatte.
Ich war verzweifelt und rief meinen Lieblingsfrisör an. „Das macht nichts“, meinte der, "User Vision" habe herausgefunden, dass der Videorecorder zum schwierigsten Objekt im Haushalt gewählt worden sei. Millionen unserer Landsleute würden jetzt beim Tapezieren eines Einfamilienhauses zusehen, weil sie das Gerät falsch bedient haben, erklärte mir mein Frisör freundlich und fragte, ob ich ihm die Neil Diamond kopieren könnte. Habe ich schon erwähnt, dass ich eigentlich Angst vor Bettinas Laptop habe?
Viele sagen, dass Vineyard ein gutes Einstiegsbuch sei. Ich finde das nicht, da es nicht "der" Pynchon ist. Natürlich ist es leichter zu verstehen, aber dennoch empfehle ich "V" als Einstiegsdroge weiterhin.
Dass die Bücher nicht zuhauf in den Büchereien stehen , das wundert mich nicht: Es gibt immer einen Hype, wenn ein neues Buch rauskommt und dann ist wieder Ebbe.
Kommentiert von: webb traverse | Freitag, 05. Januar 2007 um 15:26 Uhr
Hallo Webb,
kleines Update zu unserem gemeinsamen Lieblingsautor. Kurz vor dem neuen Jahr wollte ich mir einen Pynchon kaufen, es sollte "V" sein. In der einen großen Buchhandlung unserer Stadt gab es gar kein Pynchon-Buch vorrätig. In der anderen gab es nur "die Enden der Parabel" und "Vineyard". In meiner Stadtteilbücherei war ich ebenfalls erfolglos.
Kommentiert von: wth40plus | Freitag, 05. Januar 2007 um 14:41 Uhr
Hallo Kieke,
Thomas Pynchon ist ein amerikanischer Autor, der eine Horde von Fans hinter sich herschleppt. Webb Traverse ist einer der Helden seines letzten Romanes, der gerade auf englisch erschienen ist.
Hallo wth,
ich nehme mal an, das 40plus weist auf Ihr Lebensalter hin. Lesen Sie nochmal 48 und fangen Sie mit "V" oder dem "Ende der Parabel" an.
Kommentiert von: webb traverse | Donnerstag, 28. Dezember 2006 um 21:37 Uhr
Pynchon? Kann mir einer erklären, wovon ihr redet?
Kommentiert von: kieke | Freitag, 22. Dezember 2006 um 14:18 Uhr
Hallo Webb,
danke. Die Geschichte ist schon ein Jahr alt. Heute müßte es wohl die Yussuf-CD oder Clapton/Cale oder Metheny/Mehldau sein. habe ich es da mit einem Pynchon-Fan zu tun? Eine meiner Vorsätze fürs nächste Jahr ist es, ein Pynchon Buch zu lesen. Ich meine ein richtiges, die "Versteigerung von Nr. 48" habe ich natürlich schon hinter mir.
Kommentiert von: wth40plus | Freitag, 22. Dezember 2006 um 10:41 Uhr
Dass sie jetzt erst auf die Neil Diamond kommen, die allerdings wirklich kongenial ist. Interesante Mischung hier...
Kommentiert von: webb traverse | Freitag, 22. Dezember 2006 um 09:55 Uhr