Ich bin in der achten Klasse hängen geblieben. An der Heizung, mit meiner Fliegerjacke. Ratsch. Die Fliegerjacke war neu, danach war sie zwar immer noch neu, aber kaputt. Sie sah also nicht mehr neu aus. Das war schweineärgerlich, weil die Jacke für meine damaligen Verhältnisse schweineteuer gewesen war. Ich hatte für die Jacke mein Geburtstags- und Weihnachtsgeld von allen Verwandten zusammengelegt: 60 Mark.
Es war die klassische Fliegerjacke, Schulterpolster, dunkelblauer Filzstoff, Schulterklappen, Schnalle unten. Damit war ich nach Andreas Kutschke der begehrteste Junge in der Klasse.
In meiner Schule waren die Drehknöpfe zum Regulieren der Heizung abmontiert worden, damit die Schüler damit keinen Schabernack treiben. Die Heizung wurde zentral geregelt, Ergebnis: Es war entweder zu warm oder zu kalt. Jacke an, Jacke aus. Präzise gesagt: geile Jacke an, geile Jacke aus. Ich war so die coole Sau. Ich war so dermaßen die coole Sau, dass ich in dem Jahr gleich erst mal versetzungsgefährdet war. Aber ich war meistens immer zum Halbjahr versetzungsgefährdet. Hatte halt viel anderweitig zu tun (wie gesagt, zweitbegehrtester Junge in Klasse), dann gab ich Gas und zum Klassenwechsel war dann alles wieder okay.
Jedenfalls: Ich stand mit dem Stundenklingeln abrupt auf, hatte die Jacke an, die wir eigentlich im Unterricht nicht anbehalten durften, die aber nötig war, weil die Heizung keinen lauen Pup in den Raum abstrahlte, und dann blieb ich an dem Rest des Drehknopfes hängen, dem Montagepunkt, Stutzenpömpel, Stift Mit der Benennung dieses Gegenstandes hatte ich später arge Probleme. Ich wollte nämlich Schadenersatz von der Schule. Eigentlich war die Fliegerjacke erst dadurch eine klassische Fliegeracke geworden, dass sie einen Riss im Ärmel hatte. Einsatzmäßig eben. Aber da ich nur ein unklassischer Flieger aus der achten Klasse war, ärgerte ich mich. Ein Änderungsschneider schlug mir vor, den Riss für zwanzig Mark zu nähen. Das gefiel mir nicht. Ein Schuster klebte dann den Riss für sieben Mark einfach zu. Ich war zufrieden.
Die Schadensersatzforderung wurde höhnisch abgelehnt. Obwohl ich meinen Physiklehrer Herrn Krolow auf meiner Seite hatte, der ärgerte sich nämlich auch über die Stutzen.Unser Argument, dass der Rest des Drehknopfes an der Heizung, der Montagepunkt, Stutzenpömpel, der Stift halt, dass der eine Gefahrenquelle darstellt und überhaupt eine Sauerei sei, wurde nicht bestritten, aber trotzdem wurde auf die Schulordnung hingewiesen, nach der ich meine Jacke als Schüler während des Unterrichtes nicht zu tragen habe. Mein Einwand, der Vorfall, Ratsch, ereignete sich während des Läutens der Schulglocke und somit genau nicht mehr während des Unterrichts, er verhallte.
Gegenargument: Schüler haben ihre Jacken an die Garderobe zu hängen. Na, das konnte ich besser: Ich war gezwungen, meine Jacke im Unterricht zu tragen, weil der Klassenraum nicht beheizt werden konnte, eben weil der Drehknopf an der Heizung abmontiert war. Die Versicherung der Schule forderte schließlich eine Quittung für die Reparaturkosten der beschädigten Jacke.
Ich bekam sieben Mark und den Hass der Schulsekretärin. Naja.
Im selben Jahr stieß sich Sigmar Gottwald (genannt Klon, der mit der dauernd triefenden Nase, neben dem kein Mädchen sitzen wollte) seinen Arm an diesem Rest des Drehknopfes an der Heizung, dem Montagepunkt. Er hatte einen blauen Fleck und konnte niemanden verklagen, weil sein Arm nicht kaputt war, nur vorübergehend blau. Ich konnte wenigstens noch ein Jahr lang die Narbe in meiner Fliegeracke vorzeigen und mit meinem Teilsieg über die Schule prahlen. Dann wurde mir die Jacke geklaut. Übrigens bin ich in dem Jahr nicht sitzengeblieben (in den folgenden auch nicht).
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