Jeden Mittwochnachmittag habe ich einigen meiner Mitarbeiter und mir professionellen Englischunterricht verordnet. Damit wollen wir unsere Konversationstechniken mit unseren internationalen Kollegen verbessern. Unsere Lehrerin heißt Amanda und kommt aus Down Under, spricht aber perfektes Oxford-English. Amanda ist etwa Anfang Dreißig, hat sich gerade die Haare raspelkurz geschnitten und von ihrem Mann getrennt. Mit Amanda kann man über alles reden, sie ist von herzerfrischender Offenheit… Natürlich: all in English (ich übersetze es hier natürlich).
„Chef sein! So was machen doch nur Menschen, die über keine besonderen Begabungen verfügen, seit drei Jahren keinen Roman mehr ausgelesen haben und jedenfalls garantiert kein Instrument spielen können“, meinte Amanda plötzlich bei einem Artikel über Ossi-Geli. Mir schwante, dass Amanda wieder vergaß, dass ich ja auch Chef bin. Jedenfalls konnte ich fühlen, dass meine Mitarbeiter diese leise Verachtung heimlich teilten. Ich jedenfalls hatte da eine weiße Weste (Ihave a clean record), ich lese im Moment gerade mal wieder zwei Romane gleichzeitig, kann zwar kein Instrument spielen. Aber es kann ja mal einer versuchen, mir in Sachen Musik was vormachen zu wollen… Ob ich für irgendwas begabt bin weiß ich nicht, aber ich halte mich ja für gut ausgebildet (highly skilled), auch was das Führen angeht, deshalb konnte ich das einfach nicht so stehen lassen: "Chef sein heißt doch heute nicht mehr, den Leuten irgendwas zu befehlen", werfe ich ein, "du musst den Menschen vielmehr das Gefühl geben, dass du sie nur dazu bringst, etwas zum Wohle der Firma und damit auch zu ihrem eigenen Besten zu tun. Dass du ihnen nützlich bist." Amanda versuchte sich eine der zu kurzen Haarsträhne hinters Ohr zu streichen und erzählte etwas von freiwillig und unfreiwillig (voluntary and compulsory). Dann erzählte sie, warum sie ihre Haare gekürzt hat: lange, offene Haare seien ein Unterwerfungssignal und "erotische Signale musst du als Frau sowieso meiden, sonst wirst du nie Chef", erklärte sie uns. Und "Mandy" will Amanda dann auch nicht mehr heißen.
An dieser Stelle muß ich kurz anmerken, dass Amanda plant, ein australisches Restaurant zu eröffnen und sich selber auf die Chefrolle vorbereitet.
"Erst beim Coaching merkte ich, was man alles falsch machen kann in der Kommunikation mit Mitarbeitern", erzählte sie. Sie hatte im Rollenspiel die Aufgabe, einer "Untergebenen" mitzuteilen, dass diese in eine andere Abteilung versetzt werden sollte, weil die Kollegen Schwierigkeiten mit ihr hätten. Es war ein Fehler, dass Amanda ihre Armbanduhr vor sich auf den Tisch abgelegt und dann auch noch ihre Gesprächspartnerin unwissentlich so positioniert hatte, dass ihr die Sonne ins Gesicht schien. "Das sind Herrschaftssignale, die musst du vermeiden", erläuterte sie. Auch erklärte ihr der Coach, dass sie das Gespräch mit einer zehnminütigen "Aufwärmphase" hätte beginnen sollen. "Zuerst hätte ich ganz allgemein fragen sollen, wie sich Frau Soundso denn so fühlt in der Abteilung, was ihr an der Arbeit Spaß macht und so weiter."
Aufwärmphase! Unverfängliche Fragen! Einer meiner Mitarbeiterinnen, der“ Ärztin“ (wir nennen sie so, weil sie einen Doktor in Landwirtschaft hat), fiel ein Wochenendkurs im "Neurolinguistischen Programmieren" ein, den sie vor vielen Jahren mal besucht hatte. In dem Kurs lernte man das "Spiegeln", das heißt, man ahmt die Körperhaltung und Sprechweise des Gesprächspartners unauffällig nach, bestätigt ihn, um dann erst allmählich mit dem eigenen Anliegen herauszurücken und ihn so unmerklich auf die eigene Seite zu ziehen. Auch andere KollegInnen in ihrem damaligen Unternehmen hatten solche Kurse absolviert.
Es herrschte danach einige Verwirrung (teething troubles) in der Unternehmenskommunikation, als mehrere Mitarbeiter gleichzeitig versuchten, sich gegenseitig zu spiegeln und keiner mehr wusste, wer eigentlich mit was genau angefangen hatte.
Ich selber erinnere mich an NLP, das waren die frühen 90-er Jahre, ich hatte auch mal einen Kurs gemacht und ein Buch gelesen:“Der Frosch auf der Butter“ (der Titel war übrigens das beste an dem Buch).
"Der asiatische Führungsstil ist jedenfalls eindeutig im Kommen", fiel jetzt Herr Fliss ein, verschränkte die Arme hinter dem Kopf und zeigte uns seine Schwitzflecken. Fliss ist Spiegel-gebildet und ich wusste, dass das Gespräch jetzt drohte (to loom) abzudriften, "nimm die Energie deines Gegners und verwandele sie in deine eigene." Asiatischer Führungsstil! Ein Freund hatte mir mal ein Buch geschenkt mit allerlei asiatischen Verhaltensregeln, den Gegner auf die sanfte Tour zu unterwerfen. "Lächle den Tiger im Wald an", hieß es da, und "mache Lärm im Osten, um im Westen zu siegen". "Das Schaf mit ruhiger Hand wegführen" klang jedenfalls noch am besten. Da kann man selbst auch mal bei Bedarf nur das Schaf sein und es geht einem trotzdem nicht ganz schlecht.
"Wenn du älter wirst, hast du nun mal nur die Wahl: Entweder du steigst auf, wirst Führungskraft, oder du stagnierst, wirst allmählich beiseite gedrückt", das war wieder Amanda. Mir schwante, dass das Gespräch noch länger dauern könnte.
Auch ich vermisse ein australisches Restaurant in Hannover. Man kann doch nicht immer nach Goslar ins Didgeridoo fahren um zartes Kängurufleisch zu essen.
Das mit den Frisuren ist mir auch schon aufgefallen. Ich habe aber sogar schon in einer dieser Zeitschriften für die Frau im Mann (Amica, Elle und wie sie alle heißen) die Empfehlung gelesen, es nach einer Trennung so zu machen.
Kommentiert von: wth40plus | Dienstag, 12. Dezember 2006 um 09:56 Uhr
Kann es übrigens sein, dass Frauen sich immer eine neue Frisur zulegen, wenn sie sich von ihrem partner trennen?
Kommentiert von: obdulmx2 | Montag, 11. Dezember 2006 um 17:43 Uhr
So ein richtiges australisches Restaurant gibt es ja auch in hannover nicht. kann man Amanda also nur die daumen drücken
Kommentiert von: obdulmx2 | Montag, 11. Dezember 2006 um 17:35 Uhr